Familiengründung: So findest du das richtige Timing

Statistisch gesehen beschäftigen sich die meisten Männer und Frauen mit dem Thema eine Familie zu gründen, zwischen 25 und 35 Jahren. In unseren Kulturkreisen wurden die Familie und die Form von Vater-Mutter-Kind-Beziehungen seit Generationen vorgelebt. Heute ist alles in Bewegung. Familienmodelle verändern sich und die Familie steht im Wettbewerb zu attraktiven Lebensalternativen.

Die Zeiten, in denen die Familiengründung von den Eltern bestimmt wurde, sind vorbei

So ist die große Herausforderung aus den vielen Möglichkeiten der Lebensgestaltung, Berufs- und Karrierewahl, Partnerschaften und Beziehungsformen das zu wählen, was zu den eigenen Träumen, Wünschen und Vorstellungen, sowie zur Persönlichkeit passt. Wir orientieren uns an Vorbildern, gesellschaftlichen Trends und Vorlieben. Gleichzeitig sind die Erwartungen ans eigene Leben bei vielen Menschen gestiegen und Kompromisse werden zur Zerreißprobe.
Aufgrund der vielen Wahlmöglichkeiten werden Entscheidungen aufgeschoben, besonders wenn die zu entscheidenden Dinge zu stark miteinander konkurrieren.
Wir wissen aus der Forschung, dass es für einen Menschen schwieriger wird eine Entscheidung zu treffen, je mehr Alternativen zur Auswahl stehen.

Aus dem Jahr 2000 ist eine Studie der Wissenschaftler Sheena Iyengar und Mark Lepper bekannt, die sich mit der Entscheidungsfähigkeit auseinandersetzten. Sie kamen zu dem Ergebnis, dass eine größere Auswahl von Marmeladensorten zu einer Reduzierung der Kauflust führe. Die Studie fand an zwei Samstagen in einem ausgewählten Supermarkt in Kalifornien satt. Dort wurde ein Probiertisch mit verschiedenen Marmeladensorten aufgestellt, die von den Kunden gekauft werden sollten. Dabei variierte die Anzahl der Sorten nach der jeweiligen Versuchsanordnung zwischen 6 und 24 Auswahlmöglichkeiten. Bei einer großen Auswahl von 24 Sorten probierten 60% der Kunden zwar mindestens eine Sorte, aber nur 3 % erklärten sich auch dazu bereit, die Marmelade zu kaufen. Bei einer kleineren Auswahl von sechs Sorten probierten zwar nur 40%, aber 30 % der Kunden kauften auch ein Glas Marmelade. Die Wissenschaftler kamen zu dem Schluss, dass zu viele Optionen bzw. eine zu große Auswahl dazu führen, dass anstelle einer falschen lieber keine Entscheidung getroffen wird. Sind z.B. die Unterschiede zwischen den Angeboten nicht klar erkennbar, verzichtet der Kunde auf den Kauf oder vertagt die Entscheidung.

In unserer Lebensgestaltung verhält es sich ähnlich, wie mit den Marmeladensorten. Je mehr Optionen wir haben, ganz besonders je mehr Konkurrierende, desto schwieriger kann eine Entscheidung sein. Es ist einfacher, die Entscheidung zu vertagen und alles beim Alten zu belassen, denn “so dringlich ist es derzeit gar nicht”. Unsere Wahlmöglichkeiten haben sich über Jahrzehnte erweitert. Frauen bzw. Paare können sich aussuchen, wann sie mit der Familiengründung beginnen wollen. Damals war die Pille ausschlaggebend für diese Revolution und die Befreiung der Sexualität. Auch die Partnerwahl hat sich stark verändert, ebenso wie die Form der Beziehungen, die häufig nicht auf Familiengründung ausgerichtet sind.

Vor 150 Jahren waren auch in Europa die Ehen oftmals arrangiert. In den meisten Fällen waren die Eltern an der Wahl des Ehepartners beteiligt. Den Traumpartner zu finden, sich heiß zu verlieben, zu heiraten und Kinder zu bekommen ist eine moderne Form des gesellschaftlichen Zusammenlebens und der Familiengründung. Damals achteten die Eltern darauf, ob der zukünftige Ehemann eine Familie versorgen kann. Die Eltern des Bräutigams waren darauf fokussiert, ob die Zukünftige als Ehefrau taugt, Kinder gebären und den Haushalt einer Familie führen kann. Außerdem sollten die zukünftigen Partner in die Familie und Sippe passen. Die Qualitäten von Mann und Frau basierten auf Fortpflanzung, Versorgung und Fertigkeiten des täglichen Lebens. Die Liebe durfte sich entwickeln. Sie war allerdings nicht Voraussetzung für eine Eheschließung. Zum Beispiel kamen die Paare meistens aus dem gleichen Dorf oder der Region. So stellten die Familien bzw. Eltern, die Stabilität und Beständigkeit der Ehe sicher, die gleichzeitig vom Dorf und seinen Mitgliedern mitgetragen wurde.

Du hast Recht! Das ist schon sehr lange her.

Heute ist das in den westlichen Ländern anders. Junge Männer und Frauen gehen selbst auf Partnersuche. Sie sorgen selbst für ihr Glück. Sie sind wesentlich selbstständiger und unabhängiger. Es sind im Vergleich zu damals Mikrowelten entstanden, für die jeder Einzelne seine eigene Verantwortung hat. Wir wählen unseren eigenen Beruf, der ganz anders sein kann als der unserer Eltern. Immer häufiger beziehen wir unsere erste eigene Wohnung bereits während der Ausbildung oder dem Studium. Wir sorgen für uns selbst, vielleicht mit finanziellem Zuschuss der Eltern. Wir beginnen unsere eigenen Entscheidungen zu treffen – auch in der Partnerwahl. Obwohl uns vielleicht die Reife und Kompetenzen fehlen, den Richtigen zu finden. Auf die Empfehlungen der Eltern wollen wir häufig nicht hören, was durchaus gut sein kann. Gleichzeitig stehen wir mit der Herausforderung alleine da. Denn wir werden irgendwann feststellen, dass es gar nicht so leicht ist, den richtigen Partner fürs Leben und die Familiengründung zu finden.

Eine der zentralen Fragen ist das richtige Timing für die Gründung einer Familie. Das Timing hängt sehr stark von dir und deinen Bedürfnissen ab. Und die deines zukünftigen Partners. Die Vorstellungen in Bezug auf das jeweilige Leben müssen zusammenpassen, damit es nicht zu Konflikten kommt und schließlich zur Trennung. „Er wollte einfach keine Kinder“, meint Pia, die mit 35 Jahren völlig enttäuscht ihrer Freundin das Herz ausschüttet. „Es fühlt sich an wie verschwendete Zeit, denn jetzt wird es echt knapp, den richtigen Partner finden, Zeit für das Paarleben zu haben, sich etwas aufzubauen und dann mit der Familiengründung beginnen.“

Der Zeitpunkt der Familiengründung muss in dein Leben passen

Es gibt Frauen, die ihren Kinderwunsch schon sehr früh haben und verfolgen. Andere entwickeln erst später den Wunsch eine Familie zu gründen. Junge Menschen entscheiden häufig, nach der Ausbildung und ein paar Jahren Berufstätigkeit, ein Nest zu bauen und Kinder zu zeugen. Sie sind dann durchschnittlich 24 Jahre alt. Anders sieht es bei Studierenden aus. Denn auch sie wollen erst einmal ihr Studium abschließen, ihren Master machen und vielleicht promovieren. Hinzu kommt dann die Zeit der Berufstätigkeit. Schnell sind die Paare dann bereits älter als 30 Jahre.

Durch die Karriere, die Familiengründungsphase fast verpasst

„Ich war gut in der Schule und für meine Eltern war es selbstverständlich, Abitur zu machen und mir ein Studium in Aussicht zu stellen“ berichtet Katja. „Ich studierte Soziologie und engagierte mich in sozialen Projekten im Ausland. Es war klar, den Master anzuhängen und dann wurde mir eine Promotion angeboten. Es war ein traumhaftes Angebot mit halber Stelle an der Universität. Natürlich nahm ich es an und einige Jahre später bekam ich meinen Doktortitel.“ Katja war zu diesem Zeitpunkt 32 Jahre alt. Man bot ihr eine Professorenstelle in einem neuen Studienfach an. Eine Herausforderung, die sie nicht ablehnen konnte. „Ich war so mit mir und meinen Forschungen beschäftigt, dass ich gar kein Interesse an einer Partnerschaft hatte. Ich war viel im Ausland unterwegs“, berichtet sie. Mit 35 Jahren war sie endlich beruflich fest im Sattel. Sie wachte plötzlich morgens, mit dem großen Wunsch ein Kind zur Welt zu bringen, auf. Bis jetzt fehlte allerdings der richtige Partner, denn die meisten Beziehungen liefen nicht länger als 3 Jahre, weil Katja ihre Freiheiten wichtiger waren. Jetzt ist es plötzlich anders. Hat sie den richtigen Zeitpunkt übersehen?

Wenn das klassische Familienmodell nicht passt

In Sandras Leben war es anders. Sie hatte ihren Partner, Chris, mit 16 Jahren kennengelernt. Sie blieben zusammen, machten ihre Ausbildungen und heirateten mit 20 Jahren. Auf einem Grundstück der Familie bauten sie ihr Haus. Schon während der Bauphase wurde im Ort darüber gemunkelt, ob Sandra vielleicht schwanger sei. Sie wollte allerdings noch keine Kinder. Chris dagegen schon. „Irgendwie fühlte ich mich dazu genötigt schwanger zu werden. Es war für die anderen selbstverständlich, dass der Zeitpunkt für die Familiengründung perfekt ist. Für mich aber nicht. Mir wurde plötzlich alles zu eng und wollte nur noch weg“, berichtet Sandra von dem Druck, dem sie sich ausgesetzt fühlte. Heute ist sie froh, dass Chris ihre Krise noch rechtzeitig erkannte und sie ermutigte offen und ehrlich zu sein. Schließlich waren sie sich einig und trotzten den Erwartungen ihrer Familien.

Familiengründung ist eine Entscheidung, die du nicht nur für dich allein triffst

Gerade weil wir heute selbst entscheiden können, wie wir leben wollen, ist es wichtig offen und ehrlich mit sich und seinen Bedürfnisse zu sein. Immerhin wirst du die Entscheidung für ein Baby nicht nur für dich treffen, sondern auch für dein Kind.
Wir haben zwar alle die gleichen Lebensbereiche wie Beruf/Karriere, Familie, Liebe/Partnerschaft, Freunde, Reisen, Sinnfindung, Freiheit, Freizeit, Sport und Gesundheit, doch wir bewerten sie unterschiedlich. Die Prioritäten ändern sich auch je älter wir werden, weil sich unsere Bedürfnisse ändern. Die Zeiten ändern sich. Was heute ganz normal ist, z.B. mit Absicht alleinerziehend zu sein, Ganztagsbetreuung und Ganztagsschulen für die Kinder und Karriere von Frauen plus Familie unter einen Hut zu bringen, war vor vielen Jahren undenkbar.

Der Mut zur eigenen Entscheidung

Unsere Gesellschaft wird immer offener für neue Lebensmodelle. Das sollte dich ermutigen, für dich zu schauen, was und wie du leben willst und ob darin ein oder mehrere Kinder Platz haben. Du kannst entscheiden, deine Kinder etwas später zu bekommen und dafür die Verantwortung übernehmen. Ab dem Alter von 35, wird es für dich wahrscheinlich mehrere Versuche brauchen, um schwanger zu werden. Vielleicht wird es auch zur Herausforderung und Enttäuschungen führen. Vielleicht aber auch nicht.

Fazit:

Eine frühe Mutterschaft oder spätere Mutterschaft haben beide ihre Vor- und Nachteile. Du kannst für dich wählen. Doch eine Sache ist wichtig. Hast du wirklich Zeit und stressfreien Raum für ein Kind?

Wenn du dir ein klares deutliches „Ja“ zur Familiengründung geben kannst und deinen eigenen Kinderwunsch verspürst, dann ist das ein gutes Zeichen dafür, dass du bereit bist für ein eigenes Kind. Dann ist das Timing für deine Familiengründung gut.

Lass uns zum Schluss deine Rahmenbedingungen überprüfen. Ganz unten findest du eine Checkliste in Bezug auf deinen Kinderwunsch.

Familiengründung: So findest du das richtige Timing

Deine Rahmenbedingungen:

  1. Bist du in einer Beziehung? Ist dein Partner/in auch offen für eine Familie?
  2. Willst du ein Kind, aber keinen Partner?
  3. Wie wichtig ist dir deine berufliche Karriere? Kannst du oder dein Partner/in zurückstecken?
  4. Reichen die finanziellen Mittel, für ein oder mehrere Kinder?
    Das Statistische Bundesamt gibt die Kosten für Kinder an: Im Jahr 2018 gaben Paare mit einem Kind im Schnitt 763 Euro im Monat für ihren Nachwuchs aus. Wie das Statistische Bundesamt (Destatis) mitteilt, machten die Ausgaben für das Kind damit mehr als ein Fünftel (21 %) der gesamten Konsumausgaben aus. Gerade am Anfang kostet ein Kind mehr z.B. für Ausstattung und Kinderzimmer. Die monatlichen Kosten beziehen sich auf Nahrung, Kleidung, Freizeit, Spielen und Möbel. Die Betreuungskosten sind darin gar nicht enthalten.
  5. Werdet ihr eine größere Wohnung beziehen müssen und könnt ihr euch diese Mehrkosten leisten?
Plan B - Neid auf schwangere: Wenn die Freundin plötzlich ein Baby erwarten!

Checkliste – Prüfe, ob du die Reife für ein Kind hast

Hier findest du einige Dinge, die sich ändern können, wenn du ein Kind bekommst. Finde heraus, mit welchen Dingen du einverstanden bist, indem du sie ankreuzt. Je mehr Kreuze du machst desto besser ist dein persönliches Timing.

Quellen:
https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/Zahl-der-Woche/2021/PD21_26_p002.html
Marmeladen Studie, Barry Schwartz: The Paradox of Choice: Why More Is Less, Revised Edition Harper Collins, 2009

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