Aus diesen Gründen entscheiden sich Menschen für Co-Parenting!
Das Familienmodell des Co-Parenting gewinnt seit einigen Jahren immer mehr an Bekanntheit und Beliebtheit. Viele Menschen haben von dem Begriff Co-Parenting schon einmal etwas gehört, haben darüber gelesen oder sich mit jemandem darüber unterhalten. Manche haben auch Bekannte oder Freunde, die dieses Familienmodell gewählt haben. Diese Statistik von familyship.org, einer Online-Plattform auf der sich Co-Eltern finden können, zeigt, wie die Zahl der aktiven Mitglieder auf der Plattform seit nun schon 11 Jahren stetig wächst.
Statistik: Zuwachszahlen Familiship 2022

Quelle: https://www.familyship.org/

Doch welche Gründe haben diese Menschen, sich für eine Co-Elternschaft zu entscheiden? Viel mehr Gründe als man zunächst denken würde bewegen Menschen dazu, im Modell des Co-Parentings eine Chance zu sehen. In diesem Blogbeitrag erfährst du am Beispiel von Tanja F., Sibylle B. und Moritz G., welche Gedanken und Gefühle bei der Entscheidung für das Familienmodell eine Rolle spielen können.
Kindsvater: Co-Parenting Gründe

1. Grund: Dem Druck der Partnersuche ein Ende machen: Liebe und Familiengründung unabhängig voneinander betrachten und einen Kindsvater statt einen Partner fürs Leben suchen.

Tanja ist 39 Jahre alt und hat nun schon seit vielen Jahren einen großen Kinderwunsch. Sie hatte in ihrer letzten Beziehung mehrmals versucht, über das Thema zu sprechen. Irgendwann musste sie jedoch feststellen, dass ihr damaliger Partner Erik einfach nicht bereit dazu war, sich auf ein ernsthaftes Gespräch darüber einzulassen. 

Sie konfrontierte ihn schließlich mit seinem ausweichenden Verhalten und daraufhin gestand er ihr, dass er überhaupt kein Interesse daran habe, Kinder zu bekommen. Enttäuscht trennte sich Tanja und versuchte von nun an, das Thema Kinder bei einem Treffen mit einem neuen Mann sofort in den Vordergrund zu stellen, um von vornherein deutlich zu machen, dass sie den Wunsch hatte. Auch in ihrem Profil auf einer Dating-Plattform gab sie an, Kinder zu wollen, damit sich nur die Männer melden, die es nicht kategorisch ausschließen, Vater zu werden. Tanja fühlte sich jedoch nicht wohl mit dieser Art der Partnersuche: sie merkte immer wieder, dass sie sich in den Treffen angespannt und manchmal sogar verkrampft fühlte. Sie empfand Druck, aufgrund ihres Alters keine Zeit mehr verlieren zu dürfen. Sie schämte sich dafür, dass die Männer die sie traf denken könnten, dass sie Torschlusspanik habe und letztlich nur einen Vater für ihr Kind suchte. Sie hatte auch Angst, dass die Männer sich daraufhin reduziert fühlen könnten, ob sie die Vaterrolle gut erfüllen würden. Der Anspruch, den richtigen Partner, sowohl als Liebespartner als auch als Vater, wählen zu müssen, überforderte sie. Ihre Leichtigkeit und Unbefangenheit waren ihr nach einer Weile des Suchens gänzlich abhandengekommen.

Da erzählte ihr eine Freundin von dem Familienmodell des Co-Parenting. Wie wäre es, wenn sie die Suche nach einem Liebespartner von der Familiengründung entkoppelte, und sich zunächst einmal den dringlichen Wunsch erfüllte, ein Kind zu bekommen? Tanja empfand diesen Gedanken zunächst als komisch. Sie hatte sich bisher immer vorgestellt, dass sie ein Kind mit einem Mann den sie liebte bekommen würde. Aber sie merkte auch, wie befreiend es für sie war. Sie war enttäuscht von ihrer letzten Beziehungserfahrung, aber gerade diese Enttäuschung hatte sie so weit gebracht, dass sie ihren eigenen Kinderwunsch nun umso deutlicher fühlen konnte.

Schwanger: Co-Parenting Gründe
Sie traf die Entscheidung, ihm die erste Priorität zu geben, denn sie merkte, dass sie nicht bereit war, ihr Bedürfnis nach Kindern zurück zu stellen, nur um eine Beziehung zu einem Mann ohne Kinderwunsch erhalten zu können. Dies würde sie auf Dauer unglücklich machen. In ihr reifte der Entschluss, dem Modell des Co-Parentings eine Chance zu geben. So meldete sie sich bei einer Co-Parenting-Plattform an. Heute ist Tanja schwanger. Sie hat einen Co-Vater gefunden, mit dem sie sich gut versteht und gemeinsam haben sie sich darauf geeinigt, dass beide aktive Eltern des Kindes sein werden. Sie werden sich die Erziehung und die Verantwortung für das Kind gleichmäßig aufteilen. Sie leben nicht weit voneinander entfernt, hierdurch ist das aktive Modell für sie möglich.
Samenspende: Co-Parenting Gründe

2. Grund: Zwei Schwestern auf der Suche nach einem Samenspender, um ihre Kinder als Geschwisterpaar gemeinsam und unabhängig von einem Vater aufzuziehen

Ähnliche Gründe haben auch Sibylle B. dazu bewogen, Co-Parenting als Familienmodel zu wählen. Sibylle ist 41 Jahre alt und arbeitet als Lehrerin in einer mittelgroßen Stadt in Süddeutschland. Als langjährige Single-Frau hatte Sibylle den Wunsch nach einer Familie fast schon aufgegeben, bis sie von Co-Parenting hörte. Auch für sie stellte das Familienmodell eine Chance dar, sich den Wunsch nach einer Familie zu erfüllen, ohne dabei eine Beziehung eingehen zu müssen, von der sie nicht überzeugt war. Sie berichtet, dass sie zuvor einige Versuche gestartet hatte, jedoch merkte sie bald, dass sie durch den Druck ihrer biologischen Uhr nicht entspannt bei der Partnersuche war. Auch ihre Lebensgewohnheiten erschienen ihr häufig nicht kompatibel mit denen der Anderen. Dies verunsicherte sie bei der Partnersuche zusätzlich. Dies sei sogar schon in ihrer Schulzeit ein Problem gewesen, berichtet Sibylle. Sie habe sich immer als Außenseiterin empfunden. Hinzu kommt, dass sie mit ihrer Schwester, die ein Jahr älter ist als sie, eine sehr enge Beziehung pflegt und die beiden immer wieder die Überlegung hatten, gemeinsam ihre zukünftigen Kinder groß zu ziehen. „Es geht uns beiden ähnlich: Wir haben beide keine Lust auf komplizierte Beziehungen und Kompromisse im Zusammenleben mit Männern, die wir nur oberflächlich kennen und mit denen wir uns hauptsächlich wegen des Kinderwunsches zusammengetan hätten“, berichten die Schwestern. So schien ihnen der Schritt naheliegend, nach einem Samenspender für ein Kind zu suchen, für das die beiden gemeinsam verantwortlich sein möchten.

Samenspende: Co-Parenting Gründe
Aktuell befinden die Schwestern sich auf der Suche nach einem Spender, der bereit ist, für das Kind erreichbar zu sein und mit dem sie sich auch gut verstehen und dessen Werte sie teilen. Dies ist ihnen wichtiger als beispielsweise ein hoher IQ, viel Geld oder eine Professur, berichtet Sibylle. Sie möchten ihrem Kind mit einem guten Gefühl von seinem Vater erzählen können, auch wenn dieser keine aktive Rolle im Leben des Kindes spielen wird. Die Schwestern berichten allerdings auch von der Schwierigkeit, einen Samenspender zu finden, der gleichzeitig bereit ist, sie zunächst einmal kennenzulernen, obwohl er keine Rolle im Leben des Kindes spielen wird. Die meisten Männer, die sich als Samenspender zur Verfügung stellen, möchten sich gleich beim nächsten Eisprung zur Zeugung treffen und sind zu einem Kennenlernen vorab meistens nicht bereit, erzählt Sibylles Schwester Uta. „Es ist fast so, als wollten die nur schnell ihren Samen loswerden“, berichtet sie lachend.
Suche: Co-Parenting Gründe

Die Schwestern haben zwar bisher noch nicht den richtigen Samenspender getroffen, sind aber weiterhin auf den einschlägigen Portalen für Co-Parenting auf der Suche nach einem Mann, der bereit ist, sie zunächst kennen zu lernen. Mehr darüber findest du in unserem Beitrag: Samenspende

Ex-Partner: Co-Parenting Gründe

3. Grund: Als Ex-Partner miteinander verbunden bleiben – durch ein gemeinsames Kind, das bewusst erst nach der Trennung gezeugt wurde, weil beide Partner einander als Eltern vertrauen, jedoch nicht als Liebespaar zusammen leben möchten.

Die Geschichte von Moritz G. und seiner Ex-Freundin Lisa M. ist ein weiteres Beispiel dafür, wie das Modell des Co-Parentings die Möglichkeiten birgt, die Menschen zu kreativen und naheliegenden Entscheidungen zu befähigen.

Moritz und Lisa trennten sich nach einer mehrjährigen On-Off-Beziehung im Guten voneinander. Beide bedauerten es sehr, nicht zusammenbleiben zu können, mussten sich aber eingestehen, dass ihre Gefühle zueinander für eine Liebesbeziehung einfach nicht reichten. Dies hatten sie sich beide aufgrund ihrer hohen Übereinstimmung in vielen Lebensbereichen lange Zeit nicht eingestehen wollen. Irgendwann war es jedoch für beide nicht mehr zu leugnen. Sie öffneten im nächsten Schritt ihre Beziehung und lösten sie dann nach kurzer Zeit auf. Die Zuneigung und das familiäre Gefühl zueinander blieben jedoch weiterhin bestehen. So fassten sie zusammen einen Plan. Da Lisa schon seit ihren frühen Zwanzigern einen starken Kinderwunsch hatte, und auch Moritz sich Kinder sehr gut vorstellen konnte, bot er Lisa nach reiflicher Überlegung an, als Vater mit Onkelfunktion mit ihr ein Kind zu zeugen. Lisa erleichterte dieser Vorschlag von Moritz ungemein, da sie sich sehnlichst ein Kind wünschte und Moritz in vielem so sehr vertraute, dass sie ihn als idealen Vater für ihr Kind sah. Die Möglichkeit, gleich mit der Zeugung beginnen zu können und dafür nicht erst lange auf die Suche nach einem neuen Liebespartner oder nach einem geeigneten Co-Vater gehen zu müssen, stellte für Lisa ein sehr attraktives Angebot dar. Und da sie in einer Hausgemeinschaft auf dem Land lebte, in der es bereits mehrere Kinder und verschiedene Konstellationen von Bezugspersonen gab, war es für sie keine schwierige Entscheidung, sich auf Moritz’ Angebot einzulassen. Die beiden haben heute einen zweijährigen Sohn, Henry. Lisa lebt als aktive Mutter mit ihm in einem Mehrgenerationen-Haus und Moritz ist an den Wochenenden öfter da. Er unternimmt etwas mit Henry und entlastet Lisa, die dadurch ungestörte Zeit mit ihrem neuen Partner verbringen kann. Ein Traum ist für sie wahr geworden: miteinander verbunden zu bleiben und weiter eine Rolle im Leben des Anderen zu spielen. Trotzdem die Freiheit zu haben, das Leben nach den eigenen Vorstellungen zu gestalten. Fragt man Moritz nach seinen Beweggründen, so antwortet er: „Ich weiß einfach, dass Lisa eine tolle Mutter ist und dass Henry bei ihr gut aufgehoben ist. Sie lebt in einer Situation, in der sie nicht alleine mit ihm ist und das war für sie immer die Voraussetzung, um ein Kind zu wollen. Ob das nun mit mir ist oder mit einem neuen Partner und anderen Bezugspersonen drum herum, stellte sich in unseren Gesprächen als viel weniger wichtig für sie heraus. Das machte es mir möglich, ihr dieses Angebot überhaupt zu machen. Und ich vertraue ihr zu hundert Prozent, dass wir immer eine konstruktive Lösung finden werden, wenn Probleme auftauchen. Denn das hat sich schon während unserer Beziehung gezeigt. Warum hätte ich ihr diesen Wunsch also nicht erfüllen sollen?“
Vertrauen: Co-Parenting Gründe
Lisa sagt dazu: „Ich bin sehr froh, dass Moritz der Vater ist. Ich kenne ihn mittlerweile sehr gut und weiß, dass ich mich auf ihn verlassen kann. Der größte Sprengstoff für unsere Beziehung ist ja schon längst entschärft: wir haben beide keinerlei Besitzansprüche oder Erwartungen aneinander, was die romantische Liebe betrifft. Und auch finanziell haben wir geklärt, dass wir beide 50% der finanziellen Last tragen. Damit sind doch die idealen Voraussetzungen für meinen Kinderwunsch gegeben! Und das Schöne ist auch, dass mein neuer Partner Lust hat, sich mit Henry zu befassen. Das ist mir auch sehr wichtig, ohne das wäre ich nicht bereit, eine Beziehung zu führen. Uns gibt es nur im Doppelpack!“

Fazit:

Die Gründe aus denen Menschen sich für das Familienmodell des Co-Parentings entscheiden, sind vielfältiger, als man zunächst annehmen würde. Das Familienmodell bietet Lösungen für gleich mehrere Probleme, die von der physischen Durchführbarkeit einer Schwangerschaft bis zur Verwirklichung von Utopien im Zusammenleben reichen:

  1. Der Druck, den richtigen Partner sowohl für die Liebe als auch für Kinder zu finden, kann die Suche erheblich erschweren und der Kinderwunsch kann dadurch weiter nach hinten verschoben werden. Dies ist gerade bei Frauen, deren biologische Uhr tickt, nicht immer unproblematisch und führt oft zu mehr Druck. Um dem Kinderwunsch die Priorität zu geben, kann die Suche nach einem Co-Vater statt eines Liebespartners sinnvoll sein.
  2. Die Möglichkeit, mit einer vertrauten Person wie der eigenen Schwester, dem eigenen Bruder oder einer bzw. einem sehr guten Freund:in eine Familie zu gründen, hat für manche Menschen Priorität davor, eine Liebesbeziehung zu finden und darin ein Kind zu zeugen.
  3. Wenn zwei Menschen die einmal ein Paar waren, sich weiterhin gut verstehen und einander vertrauen, können sie den Kinderwunsch trotzdem umsetzen, auch wenn ihre romantische Liebesbeziehung bereits beendet ist.

Diese Beispiele zeigen, dass Menschen zu naheliegenden und pragmatischen Lösungen neigen, wenn sie von der Last der ideologisch aufgeladenen Erwartung befreit werden, Familie nur im Kontext einer romantischen Partnerschaft denken zu können. Hier bietet das Modell des Co-Parentings eine Offenheit, die für viele Menschen eine Chance bietet, sich ihren Kinderwunsch zu verwirklichen.

Co-Parenting - Anna Schmutte

Zur Autorin:

Anna Schmutte ist Coach, Körpertherapeutin und systemische Familientherapeutin. Zusammen mit der Autorin Sarah Diehl leitet sie Seminare zum Thema Kinderwunsch und Ambivalenz.

Anna hatte lange Zeit keinen starken Kinderwunsch und ist mit 43 dann doch noch glückliche Mutter geworden. Sie genießt es, in ihrer Berliner Praxis mit Klient:innen zu arbeiten und auf dem P4B-Blog über die Themen Kinderwunsch, Co-Elternschaft und Pflegekinder zu schreiben. Außerdem bietet Anna den Online-Kurs "Will ich Kinder?" an, der gerade auf ihrer Webseite diekinderfrage.de erschienen ist.

annaschmutte.com